Ossi Forum - bundesweites Kontakt- und Unterhaltungsforum
aus DDR-Zeiten » Private Betriebe in der DDR
Bundesweites Kontakt- und Unterhaltungsforum mit Landkarte. Ossis und Wessis diskutieren hier über Gott und die Welt. Aktuelle Themen aus vielen Bereichen, Alltägliches, Themen zur deutschen Geschichte und natürlich regelmäßige Treffen machen diese Plattform aus.
Wie ich schon mal geschrieben hatte, bin ich gerade dabei, eine Chronik über die Firma meiner Großeltern zu erstellen. Das war ein Fuhrbetrieb, der 1935 durch meinen Urgroßvater gegründet wurde und auch zu DDR-Zeiten bis zum Ende privat geblieben ist.
Ich habe bis jetzt schon viele interessante Dinge gefunden, die vielleicht auch einige von euch Forumlesern interessieren könnten. Wenn niemand etwas dagegen hat, stelle ich ich von Zeit zu Zeit ein paar Themen unchronologisch rein.
Zum kurzen Verständnis, für die, die das nicht wissen. Es gab viele Privatfirmen in der DDR. Hauptsächlich in den Bereichen Handwerk und Transport. Die Firmen waren geduldet und durch unzählige Gesetzte und Bestimmungen eingeschränkt. So passte der Staat auch ganz genau auf, dass die Firmen nicht zu groß werden und durch das Steuerrecht sicherte er sich ab, dass nicht zu viel Geld verdient werden konnte. Für die Leser aus den alten Bundesländern möchte ich noch hinzufügen, dass in der DDR genauso hart gearbeitet wurde, wie im Westteil
Thema 1 - Mithelfender Ehepartner
In privaten Unternehmen war es untersagt, den Ehepartner anzustellen und zu bezahlen. Das hatte zur Folge, dass auch kein Rentenanspruch erarbeitet werden konnte, ohne dass man eine freiwillige Sozialversicherung aus der eigenen Tasche bezahlte. Das und die ungerechte Besteuerung (alle Steuern und Abgaben zusammengerechnet bis zu 98% vom Gewinn) bewegte meine Oma dazu. Eine Eingabe an die Regierung zu schreiben. In den angefügten Dokumenten könnt ihr euch in Ruhe mal den Werdegang danach durchlesen. Ich fand es sehr interessant, dass der stellvertretende Verkehrsminister extra nach Kamenz gekommen ist und auch ein Kompromiss gefunden werden konnte. Das wäre zur jetzigen Zeit bei der Betriebsgröße nicht mehr der Fall. So weit würden sich die werten Politiker jetzt nicht mehr herablassen.
Eingaben schreiben war über die ganze Zeit eine Art "Hobby" meiner Großeltern und manchmal hat es auch etwas gebracht. Das ist eine Sache, die ich von ihnen gelernt habe - man muss sich nicht mit den Gegebenheiten abfinden und sich ärgern, das es ist wie es ist - sondern man muss etwas tun, damit sich was ändert!
Lesen bildet Thomas
Angefügte Bilder:
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
01 1976_05_25 Abweisung Änderung Steuer IHK Dresden.jpg
02 1977_04_07 Eingabe an SED Abt Frauen S1.jpg
03 1977_04_07 Eingabe an SED Abt Frauen S2.jpg
04 1977_04_07 Eingabe an SED Abt Frauen S3.jpg
05 1977_04_28 Antwort SED Abt Frauen.jpg
06 1977_04_29 Briefumschlag SED Abt Fauen.jpg
07 1977_06_09 Antwort Verkehrsministerium.jpg
08 1977_06_10 Briefumschlag Verkehrsministerium.jpg
09 1977_06_14 Protokoll Treffen in Kamenz.jpg
99 1977_09_06 Beschluss Verkehrministerium.jpg
Tommes, mach Dich doch mal bitte kundig. Ich hab festgestellt, daß es den DDR-selbständigen, die ich kenne, als Rentner sehr gut geht. Denen wurden wahrscheinlich ihre Arbeitsjahre angerechnet. Was ja nun leider nicht möglich ist. Es muß da auch ne positive Seite der Medaille gegeben haben Waren die pflichtversichert? Wenn ja, dann hat es den auch was gebracht.
Nehmt euer Herz in beide Hände, und macht was draus. (Zitat von Lutz Bertram. Ehemaliger blinder DT64 Moderator, den leider die Stasi in ihre Fänge bekam) Buhli
ich behaupte ja nicht, dass es meinen großeltern schlecht geht. aber, wie ich oben schon geschrieben habe, ist es eine tatsache, das mithelfende ehepartner in privatfirmen eine freiwillige sozialversicherung bezahlen und so den rentenanspruch erwerben konnten. die kosten dafür konnten aber nicht als betriebsausgabe steuerlich geltend gemacht werden. ebenso durfte den ehepartnern kein offizieller lohn bezahlt werden. das alles bezieht sich nicht auf den chef oder die chefin der firma.
Das mit der irrsinnig hohen Besteuerung habe ich auch schon mal von einem Bekannten (Polsterer)gehört. War das ab der ersten Mark oder irgendwie progressiv steigend? Bei dem Steuersatz hätte ja keiner sich die Butter auf´s Brot leisten können, wenn alles über die Bücher lief !!
Die Besteuerung war progressiv steigend. Private Unternehmen und Gewerbetreibende wurden nach Einkommensteuer Grundtarif K besteuert(s.u.). Als Beispiel unten eine Auflistung unserer Firma aus den Jahren 1980-1985. Die war eine Anlage aus einer der unzähligen Eingaben an den Rat des Kreises, den Rat des Bezirkes oder direkt an die Regierung.
Es war ja nicht nur die Einkommensteuer, die bezahlt werden musste, sondern ab 1982 wurde zusätzlich die Produktionsabgabe direkt vom Umsatz einbehalten - war also in der Bilanz kostenwirksam und schmälerte so schonmal den Gewinn.
Mein Opa war Mitte der 80er fast soweit, die Firma zu schließen, da der Aufwand und der Verdienst (von dem die Familie ernährt, Kreditrückzahlungen und Investitionen für die Firma getätigt werden mussten) in keinem Verhältnis mehr stand. In den Jahren hatte er - neben unzähligen anderen Problemen - besonders mit der Kürzung der Dieselzuteilung nach der Ölkrise um zeitweise 80% gegenüber dem Vorjahr(1984), den Beschaffungsproblemen bei Ersatzteilen und den damit verbundenen ständigen Reparaturen bzw. Ausfällen zu kämpfen.
Er hat aber nicht aufgegeben und ist den staatlichen Organen so lange auf den Geist gegangen, bis wieder eine Lösung gefunden wurde
thomas
Angefügte Bilder:
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
Mal vom steuerlichen Irrsinn abgesehen, war doch die Versicherung fürs Alter oder den gesundheitsbedingten Ausfall sinnvoll. Sicherlich auch dafür bestimmt. Soweit ich weis gab es keine private Firma ohne so eine Absicherung. Ebenfalls gab es keinen Selbständigen, der aus gesundheitlichen Gründen zum Sozialfall werden konnte. Mit anderen Worten. Das KNOW HOW dafür, kann man bestimmt auch heute anwenden. Die Wirtschaftskraft ist bestimmt in der Lage, das zu schultern. Wenn ich richtig liege, war für einen Selbständigen das Maximaleinkommen 2000,-M. Wurde es mehr, war die steuerliche "Beteiligung" der Hauptgrund nicht mehr zu machen. Da ja die Arbeitspflicht herrschte, mußte jeder der keiner Arbeit nachging, auch nachweisen von welchem Geld er lebte.
Nehmt euer Herz in beide Hände, und macht was draus. (Zitat von Lutz Bertram. Ehemaliger blinder DT64 Moderator, den leider die Stasi in ihre Fänge bekam) Buhli
Wenn man im Internet nachschaut, gab es offensichtlich doch einige Menschen, die das betroffen hat. Die private Vorsorge war natürlich die einzige Möglichkeit, etwas von dem, jetzt nicht mehr vorstellbaren, Gesundheitssystem abzubekommen. Der Rentenanspruch sieht bei jüngeren Menschen natürlich nicht mehr so rosig aus. Dafür waren die jetzt alten Menschen die Generation, die Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut hat.
Unabhängig davon waren die Ausgaben dafür nicht als Betriebsausgabe anerkannt und somit auch keine Kosten in der Bilanz - Erhöhung des Gewinns - also indirekt wieder eine Verringerung des Nettoverdienstes. Das Handwerk und der Handel waren bezüglich der staatlichen Abgaben noch etwas besser dran, als das Transportwesen. Diesbezüglich habe ich auch noch genügend Eingaben und Antworten, die ich noch auswerten werde - wie gesagt - ich bin dabei, die Chronik zu erstellen. Es gibt viele Ordner voll Dokumenten, von denen ca. 600 digitalisiert und ein Teil davon bisher in die Chronik eingeflossen sind und ich bin erst 1975 geboren. Meine Großeltern haben mir schon viele Sachen erzählt und erklärt, aber sie sind eben schon 80 und 81 Jahre alt und wissen nicht mehr Alles. Ich bin als Kind aber in der Firma aufgewachsen und kann mich jedenfalls für diese Zeit noch an Einiges erinnern.
Für jede kompetente Hilfe an der Chronik bin ich dankbar!
Frag mal bei den damaligen privaten Taxigeschäften nach. Die können erst Lieder singen. Spritkontigentierung usw..
Nehmt euer Herz in beide Hände, und macht was draus. (Zitat von Lutz Bertram. Ehemaliger blinder DT64 Moderator, den leider die Stasi in ihre Fänge bekam) Buhli
Das mit der Treibstoffzuteilung war bei den Fuhrbetrieben auch nicht anders. Davon kann mein Opa heute noch ein Lied singen. Besonders schlimm war es nach der Ölkrise, welche Anfang der 80er auch die DDR erreicht hatte. Wie das bei Taxiunternehmen war, weiß ich nicht, aber Fuhrbetriebe bekamen Dieselmarken, mit denen dann die LKW an Tankstellen getankt werden konnten - ohne Marken ging das nicht. Wenn Marken verloren gingen, musste das dem Rat des Kreises gemeldet werden, damit man wieder Ersatz bekam, wobei sowieso nie genügen Treibstoff zugeteilt wurde. Von 1989 sind noch welche übrig geblieben, da ja dann die Wende kam und auf einmal ALLES anders war
thomas
PS: Die Postkarte und die Postanweisung lag auch noch irgendwo zwischen den Unterlagen
Angefügte Bilder:
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
1984_04_02 Eingabe Regierung.jpg
1989-09 die letzten DK-Limitmarken_2.jpg
DDR-Postkarte.jpg
Postanweisung_1.jpg
Postanweisung_2.jpg
Das waren damals die Arbeitsgeräte im Büro - glücklicherweise konnte ich sie noch vor dem Sperrmüll retten. In der Zeit, als es noch keine Taschenrechner gab, konnte man das mit der Rechenmaschine erledigen. Die Schreibmaschine war noch lange im Einsatz. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass ich oft auf ihr rumgetippt habe. Mit einem Buch aus der Lehre meiner Oma habe ich versucht, das 10-Finger-System zu erlernen. Besonders das A und das Ö waren aber für die kleinen Finger problematisch, da man bei dem Ding doch noch sehr viel Kraft brauchte, um die Buchstaben auch aufs Papier zu bringen.
Ansonsten fungierte sie auch als Kopierer, da es sowas damals ja auch noch nicht gab. Eingehende Schreiben wurden für die Ablage abgetippt - bei Briefen, die selbst verfasst wurden, lag immer Blaupapier drunter, damit man noch 1/2/3 Durchschläge für sich hatte. Richtig ausgedient hatte sie erst 1988, als der Rat des Kreises endlich den Kauf einer elektrischen Schreibmaschine genehmigt hatte(siehe Durchschlag)
thomas
Angefügte Bilder:
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
1988_12_13 RdK Antrag el Schreibmaschine.jpg
rechenmaschine triumphator anleitung.jpg
rechenmaschine_triumphator.jpg
schreibmaschine_triumph.jpg
Tommes, solche Schreibmaschinen gabs bei uns in der Berufsschule noch! Ich habe 1970 mit der Lehre angefangen. Abartig, da taten einem nach dem Unterricht die Finger weh, da ja immer andere darauf "rumgeklimpert" haben.
Ich habe damit mal für einen Vortrag in Geographie alle Bundesstaaten der USA mit Name, Größe und Einwohnerzahl abgetippt. Mir gings danach auch nicht anders
Mein Schreibmaschinenkurs 1979 war auch noch auf so einer Schreibmaschine. Ich mußte jedoch das Ding mehrmals auseinander nehmen, da sich die Typenhebel immer miteinander verhakten. Vielleicht war das der Grundstein für meine spätere technische Berufswahl?!?
Meine Oma hatte auch so eine. Sie hat in Heimarbeit Schreibkram für einen Betrieb erledigt. Für mich war die Maschine pure Faszination. Da bewegt sich was , da sieht man , was passiert. Was sind dagegen Epson , HP ; Lexmark & Co ????
Dieser Beitrag enthält allgemeine Beleidigungen oder persönliche Angriffe
Dieser Beitrag enthält unerwünschte Werbung.
Dieser Beitrag verstößt gegen die Netiquette des Forums.
Beiträge, die IN GROßBUCHSTABEN oder fett geschrieben sind bitte vermeiden.
{[userwarning_empty_error]}
Es wird der oben genannte Grund verwendet. Klicken Sie hier, um den Inhalt der privaten Nachricht anzupassen
Legen Sie hier den Inhalt der PN-Benachrichtigung fest.
Hinweis: Dieses Mitglied wurde bereits 4 Mal verwarnt. Bei einer weiteren Verwarnung wird das Mitglied automatisch gesperrt.
Dieses Forum möchte Menschen zusammenführen, Aufklärungsarbeit leisten und ein gesamtdeutsches Gefühl fördern.
Wer uns unterstellt "wir trauern alten Zeiten hinterher", hat die Mission der Community leider nicht verstanden.
Wir verzichten auf übertriebene Ostalgie und freuen uns über neue Meinungen aus Ost & West und Nord & Süd.