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RE: Hans-Georg Aschenbach - 2
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Ich war heute nachmittag unterwegs und habe mir dabei den Podcast von SWR1-Leute angehört. Zwei Dinge sind mir aufgefallen: Die Flucht war nicht völlig grundlos oder nur materiell getrieben. Aschenbach ist geflohen, nachdem er zum Mannschaftsarzt der Skispringer berufen wurde. Und er gibt als für mich nachvollziehbaren Grund an, dass er damit hätte müssen selbst zum Täter werden und den Jugendlichen hätte müssen die Dopingmittel verabreichen, oder seine Karriere wäre beendet gewesen. Dass der Schritt vom Empfänger der Dopingmittel zu jemanden, der andere aktiv damit stimuliert und auch schädigt einen solchen Schritt auslösen kann, ist für mich verständlich. Weiterhin habe ich bemerkt, dass er sehr detailliert das Unverständnis und die Anfeindungen der Menschen beschreibt, die es nach seiner Flucht gegeben hat und die ihm erstaunlicherweise heute noch von Jugendlichen entgegengebracht wird, die die DDR nicht mehr erlebt haben. Man könnte meinen, er habe Weili gekannt und mit diesem schon mal Auseinandersetzungen gehabt. Denn genau diese haltlosen Anfeindungen erwähnt er auch im Gespräch. Außerdem habe ich den Eindruck, dass er sehr introvertiert war und ist. Ich kenne einige andere Fluchtgeschichten, aber keiner der Betroffenen war so der einsame Wolf, der mit niemanden in der Heimat über das Thema spricht und dann verschwindet und seine Frau und seine beiden Kinder zurück lässt. Dies hat aber nichts mit dem System zu tun, sondern solche Menschen hat es schon immer gegeben und wird es immer geben, die ihre Entscheidungen einsam treffen.
Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. (Goethe)
Wer sagt denn das Aschenbach die Wahrheit sagt. Er hat doch etwas zu verkaufen. Für mich hat die Angelegenheit ein "Geschmäckle". Aschenbach hätte in der DDR auch NEIN sagen können. Das war möglich und viele haben es auch getan. Es wäre für ihn nur unangenehm gewesen. Man kann doch nicht jahrelang mit den Wölfen heulen, Privilegien genießen und 22 Jahre später verkauft man sich als Held und war im Prinzip schon immer dagegen. Ich habe meine Meinung zu Aschenbach und sein Buch darf er behalten. Soweit ich gehört habe ist dem Aschenbach bei der Lesung in Suhl der Wind gehörig ins Gesicht geblasen. Die Suhler haben ihm die Meinung gesagt.
Ob jemand in der DDR "NEIN" sagt oder das Problem löst, indem er die DDR verlässt, hängt doch in erster Linie mit der Persönlichkeit, dem Charakter und dem Umfeld jedes Einzelnen ab. Und da ist es als Offizier sicherlich ganz selten so gewesen, dass man einen DDR-kritischen Freundeskreis hatte, der einem dabei unterstützt. Insofern verstehe ich, dass es eine einsame Entscheidung war. Und Ehrgeiz mag sicherlich auch eine Komponente dieser Entscheidung sein.
Weili, ich traue den Aussagen Aschenbach mehr als Deinen Spekulationen hier, denn wenn Aschenbach in seinem Buch und bei seinen Auftritten die Unwahrheit sagt, dann werden das die Medien und seine Gegner lustvoll verbreiten. So wie seine Ansicht über seinen Chef in Freiburg doch auch hart kritisiert wird. So ist das eben in unserer Demokratie: Wir haben hier beide gegensätzliche Meinungen.
Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. (Goethe)
Joeachse, du hättest auch einfach schreiben können "Ich schließe mich der Meinung des Genossen Aschenberg an". Man merkt daran das du länger im System DDR verweilen durftest. Den Luxus einer eigenen, mit nichts untermauerten, oder gar einen konträren Meinung hast du dir nie leisten dürfen und müssen Du brauchst immer die Unterstützung der Medien, auch wenn du behauptest deine eigene Meinung zu sagen, verkörperst du die Meinung den Mainstream und kannst so nie anecken. Das ist dein persönliches DDR Vermächtnis. Darum war mir schon vorher klar, was du zum Thema Aschenbach schreiben würdest. Du würdest dich an Aschenbach seiner Stelle genau so verhalten, so schätze ich dich auch ein. Was du hier als Spekulation abtust, ist meine eigene Meinung zu Aschenbach. Ich muss mir keine Links suchen, die meine eigene Meinung untermauern.
Weili, ich hätte auch schreiben können: "Ich verstehe nicht, warum Weilheimer die Meinung der Genossen Vorgesetzten sowie der Parteifunktionäre zu Aschenbach vertritt." Dass meine Meinungen immer dem Mainstream folgen, ist eine merkwürdige Wahrnehmung deinerseits. Ich leiste mir durchaus eigene und konträre Meinungen (damit verdiene ich auch mein Geld), aber in einem Teilsatz hast Du recht: Ich leiste mir selten mit nichts untermauerte Meinungen, das hat man als Naturwissenschaftler so an sich. Selbst bei Meinungen, die auf meinen Gefühlen basieren, versuche ich zu analysieren, woher diese Gefühle kommen.
Natürlich reist Aschenbach durchs Land um sein Buch zu verkaufen. Das macht doch jeder Autor, der auf Lesereise geht. Ich verstehe nicht, wie Du ihm dies zum Vorwurf machen kannst. Und dass Aschenbach selbst im Interview nicht sonderlich sympathisch rüberkam, kann ich nur bestätigen.
Und ich verstehe auch nicht, was Du meinst, wenn Du mich mit Aschenbach vergleichst. Wenn Du auf die DDR anspielst, dann kann ich nur sagen, dass ich es mir nie vorstellen könnte, meine Familie im Stich zu lassen. Und wenn Du auf die aktuelle Situation anspielst, dann ist es vielleicht gar keine schlechte Idee, ein Buch über meine Erlebnisse in der DDR zu schreiben und dann damit durch die Lande zu ziehen. Da ich allerdings nicht so populär wie Aschenbach bin, wäre ich wahrscheinlich weniger erfolgreich damit, selbst wenn das Buch besser wäre.
Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. (Goethe)
In diesem Fall deckt sich meine eigene Meinung ausnahmsweise mit denen ehemaliger DDR-Parteifunktionäre. Allerdings vertrete ich die Meinung meiner Eltern, die für Privilegierte wie Aschenbach mehr als 40 Stunden in der Woche in den Betrieben der DDR gebuckelt und geackert haben, damit der seinen Sport nachgehen und er eine kostenloae Ausbildung bekommen konnte. Zu allen wurde Aschenbach aus der Sicht von 2012 immer gezwungen. Natürlich habe ich als Schüler mit dem Aschenbach gefiebert und die Skisprungwettbewerbe am TV verfolgt, sein Erfolg war auch mein kleiner Erfolg. Eigentlich habe ich auch kein Problem damit, das er 1988 abgehauen ist. Ein Jahr später waren wir alle geflohen. Er soll sich aber bitte 23 Jahre nach der deutschen Einheit nicht als Regimegegner darstellen, denn das war er nicht. Er war ein Privilegierter, dem es in der DDR nachweislich gut ging und auf der Suche nach mehr materiellen Wohlstand und für die Karriere die DDR verlassen hat. Dabei war er zu feige, den offiziellen Weg über einen Ausreiseantrag zu wählen, das hätte persönliche Einschränkungen für Aschenbach gebracht. Er hätte Privilegien verloren. Er nutzte zum Verlassen der DDR wieder sein Privileg zur Reise ins kapitalistische Ausland und das halte ich für moralisch verwerflich. Ich kann die Ex-DDR-Bürger verstehen, welche das Aschenbach übel nehmen und ihn verachten. Er ist den leichten Weg ohne persönliche Opfer gegangen und reisst heute mit einem Buch die Klappe auf und wirft mit Dreck, nach den Menschen, die ihm alles ermöglichten, die man früher Werktätige nannte.
Zitat von Weilheimer im Beitrag #21Er soll sich aber bitte 23 Jahre nach der deutschen Einheit nicht als Regimegegner darstellen, denn das war er nicht.
Ich habe nichts gefunden, weder im Leute-Gespräch noch in sonstigen Veröffentlichungen, in denen er sich als Regimegegner darstellt. Im Gegenteil, er betonte, Teil dieses Systems gewesen zu sein und aus Ehrgeiz die Chancen genutzt zu haben. Und er steht dazu, Privilegien gehabt zu haben. Er beschreibt doch genau diese Art, wie man sich verhalten musste, um in der DDR erfolgreich zu sein. Und er gibt zu, bewusst gedopt zu haben. Ich konnte zumindest in der Leute-Sendung nichts finden, wo er die Menschen der DDR mit Dreck beworfen hätte. Und das Doping im DDR-Sport, bei dem Kinder und Jugendliche ohne ihr Wissen und ohne die Folgen zu bedenken mit Anabolika aufgepäppelt wurden, dieses System bezeichnet er doch zu Recht als verbrecherisch und die Macher als Verbrecher. Ich halte es schon für merkwürdig, dass Du die Angriffe auf diese Leute mit Angriffen auf die Werktätigen in der DDR gleichsetzt. Das war doch genau die Argumentation der Herrschenden in der DDR: Jeder Angriff auf die Partei- und Staatsführung und jede Kritik daran wurde als ein Angriff auf die Werktätigen in der DDR interpretiert. Mann könnte denken, die Kampagne gegen Aschenbach sei noch fest in dein Hirn eingebrannt. Natürlich hätte es andere Methoden gegeben, der Verantwortung zu entfliehen und nicht zum Mittäter zu werden, aber nicht jeder ist ein Märtyrer. Und ein Offizier der NVA, der einen Ausreiseantrag stellt??? "Persönliche Einschränkungen" ist meiner Meinung nach eine sehr verharmlosende Beschreibung der Folgen. Vielleicht können unsere Ex-Offiziere dazu was sachliches beitragen, ob es so etwas gab und was in diesem Fall passierte. Manchmal kann scheinbarer Mut auch Dummheit sein.
Ich denke, wir werden uns beide das Buch nicht kaufen.
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Genau so, wie ihr jetzt eure unterschiedlichen Meinungen austauscht, genauso ist Herr Aschenbach innerlich zerrissen. Nur, er muß selber damit klar kommen. Und innerliche Klarheit will er mit seinem Buch schaffen. Ich glaube , er will einfach nur darüber reden. Nicht mal mit seiner ersten Frau hat er es geschafft und auch nicht mit seinen Kindern. Möge er seinen Frieden mit sich und der Welt finden. Verstehen kann ich seine innere Zerrissenheit, nachvollziehen kann ich sie nicht. Er bleibt ein Mensch mit großen,ungeklärten und wahrscheinlich nie zu lösenden Widersprüchen.
Einen Antrag auf ständige Ausreise eines BO´s habe ich nie erlebt. Es war schon immer sehr stressig, wenn ein Offizier seinen Dienst vorzeitig auf eigenen Wunsch hin (ohne Vorliegen von schwerwiegenden Gründen -zB. Ehepartner krank oder verstorben) beenden wollte. (Aussprachen in der Partei, zig Stellungnahmen, Aussprachen mit den übergeordneten Vorgesetzten) Einmal habe ich erlebt, da bekam der entlassene Offizier nicht einmal eine Arbeit zugewiesen. Er mußte in der DDR auf das Arbeitsamt gehen(gab es wirklich zu DDR-Zeiten in jeder Kreisstadt mit nur 2 Mitarbeitern)und dort um Arbeit nachfragen. Arbeit hat er natürlich umgehend bekommen. Aber wenn du in Ehren den Wehrdienst beendetest, bekam man eine ganz andere Unterstützung, um beruflich wieder Fuß zu fassen.
Ich würde auch meinen Aschenbach kommt mit der "Stille" um seine Person nicht klar. Bis 1988 war er ein Star in der DDR, der die Menschen anzog und mobilisierte und die ihn feierten. Ich habe 1988 nur noch die Pressemeldung vernommen, das er geflüchtet sei und seitdem ist es ruhig um ihn geworden. Ich habe nicht gewusst, das er 200km Luftlinie von mir entfernt, in Freiburg lebt. Die Bombenkarriere hat er nun auch nicht gemacht. Er ist "nur" ein praktizierender Arzt mit eigener Praxis. Ich denke, in seiner Heimat Suhl wäre er beruflich weiter gekommen, auch unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Es ist wie immer, der Verrat wird geliebt, der Verräter nicht. Der Status "erfolgreicher Sportler der DDR" hätte Aschenbach auch von 1989 bis heute getragen. Das er Offizier der NVA war, hätten ihm die Menschen in Ost und West Deutschlands nicht übel genommen. Sportförderung in NVA gehörten zusammen, das wussten alle. So richtig übel genommen wird ihm die Inloyalität zur Bevölkerung der Ex-DDR, das er sich einfach aus dem Staub gemacht hat, obwohl er sich nichts auszustehen hatte. Henry Maske ist auch heute noch ein deutschlandweit angesehener Sportstar mit ähnlichem Werdegang wie Aschenbach. Sicher versucht er das in seinem Buch aufzuarbeiten. Ich meine ein Flehen zwischen den Zeilen zu lesen, "Habt mich bitte wieder lieb, wie früher".
Mir ist nicht klar, was Aschenbach mit seiner Flucht 'verraten' haben könnte. Dieser Staat gründete sich nicht auf Zustimmung der deswegen ja auch eingesperrten Bevölkerung. Welche "Loyalität" "zur Bevölkerung der Ex-DDR" mit der Flucht hätte verletzt werden können, ist reine Spekulation. Wie man aus heutigen Untersuchungen weiß, hatte sich ein nennenswerter Teil der Bevölkerung trotz Mauer und Schießbefehl mit Fluchtplänen zumindest theoretisch einmal befaßt.
Sicherlich gab es eine nicht geringe Schicht, die berufsmäßig mit dem SED-Regime verquickt war, und die die Flucht von einem der Ihren als besonderen Verrat empfunden hat.
Dann gab es auch jene, die durch jahrelange Hasspropaganda von NVA und SED-Medien gedrillt wurden, in jedem Flüchtenden den Klassenfeind zu sehen, der es verdient hat, zur Strecke gebracht zu werden.
Eigentlich hatte Aschenbach nur das 'verraten', was zum Zeitpunkt seiner Flucht- vielleicht nicht in dem Detail - jeder wußte, daß das SED-Regime flächendeckende Zuchtbemühungen schon an Kindern vornahm, um sie später als 'Diplomaten im Trainingsanzug' zur Aufhübschung des ramponierten Ansehens in Wettbewerbe zu schicken.
Denn dass etwa die DDR-Schwimmerinnen mit breitem Kreuz, tiefer Stimme und Bartwuchs, von der aufmüpfigen Westjournaille deswegen nachgefragt, "nicht hier zum Singen" sind, wußte schon vor Aschenbachs Flucht der damalige DDR-Frauenschwimmtrainer zu vermelden.
Frank, ich habe doch geschrieben, wen und was Aschenbach verraten hat. Es war nicht der Staat DDR, sondern die Menschen, die sich wie ich mit ihm identifizierten, deren Idol er war. Das ist zwischenmenschlich für mich nachvollziehbar. Klar teilen nicht alle meine Meinung, das liegt in der Natur der Sache.
Weili, dies ist sogar für mich nachvollziehbar Die Aussage, dass Aschenbach die Menschen in der DDR verraten habe, ist von Seiten der Fürung eine Farce. Diese Aussage von Menschen, deren Idol er war, kann ich verstehen.
Engineer, ich denke auch, dass diese tiefe innere Zerissenheit, die man auch in dem Gespräch spürt, und diese permanten Auseinandersetzungen mit seiner Vergangenheit, die nicht öffentlich, sondern privat und teilweise in ihm selbst stattfanden, diese Dinge haben ihn zur Veröffentlichung getrieben. Und nachdem seine jetzige Frau mit diesem Druck nicht mehr leben wollte und ihn vor die Alternative Trennung oder Aufarbeitung gestellt hat, ist er diesmal nicht den Weg des geringsten Widerstandes gegangen.
Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. (Goethe)
Zitat von joesachse im Beitrag #27Und nachdem seine jetzige Frau mit diesem Druck nicht mehr leben wollte und ihn vor die Alternative Trennung oder Aufarbeitung gestellt hat, ist er diesmal nicht den Weg des geringsten Widerstandes gegangen.
Eigentlich doch schon?! Oder ist die Trennung von seiner Frau der Weg des geringsten Widerstandes? Anyway, ich muss Weili ein Stück Recht geben. Herr Aschenbacher hat anständig vom System DDR profitiert. Seine Flucht ist trotzdem durchaus nachvollziehbar. Warum das jetzt nach so langer Zeit noch in einem Buch verarbeitet werden muss, erschließt für mich nicht. Da bin ich wieder bei Weili, sieht eher nach Taschengeld aus, nicht nach Aufarbeitung. Dies ist aber nur meine persönliche Meinung.
Ob Aschenbach mit seinem Buch das mehr oder weniger große Geld macht, bleibt abzuwarten. Mich würde es jedenfalls nicht wundern, wenn er da noch draufzahlt.
Und die Leier vom Egoisten Aschenbach kann ich auch nicht mehr hören, der Grund für diese Deformationen, die auch dazu führten, daß Familien auseinandergerissen wurden, war ausschließlich das SED-Regime, daß seine Bevölkerung zu seiner Existenzsicherung mit den Mitteln des Kriegsrechts zusammenhalten mußte.
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