Hab mir jetzt alles noch mal durchgelesen, und hier nochmal ein paar Gedanken von mir.
Dem Beitrag von Schramme, vom 29.01.2010 12:47 Uhr stimme ich absolut zu. Er bringt es genau auf den Punkt.
Joesachse schrieb:
Zitat
Und nach so einer erfolgreichen Aktion schreibe ich meinem Chef noch eine Mail und erhole mich erst mal einen Tag von der halb durchgearbeiteten Nacht.
Das freut mich für Dich. Auch ein Handwerker muß öfters mal bis in die Nacht arbeiten. Wenn man dann erst abends um 10 oder 11 nach Hause kommt, duschen, was essen, dann kommt man auch erst um 12, halb 1 ins Bett. Trotzdem muß ich am nächsten morgen gegen 5 Uhr aufstehen und werde um 7 Uhr beim nächsten Kunden oder auf der nächsten Baustelle antanzen.
Joesachse schrieb:
Zitat
Und man muss sich im Beruf engagieren, für das Unternehmen denken und arbeiten, dann wird man in Jobs keine austauschbare Personalnummer mehr, und dann ist auch der Arbeitsplatz nicht so unsicher, wie manche versuchen, uns einzureden.
Das mag in Deiner Branche funktionieren, doch ist im Handwerk leider so nicht umsetzbar. Ich mußte in den letzten Jahren oft genug erleben, das gut ausgebildete Fachleute gehen mußten und durch ungelernte oder osteuropäische Arbeiter ersetzt wurden. Billig zählt, nix anderes. Schau Dir doch mal an wieviele Baumängel heut nach Fertigstellung von Gebäuden auftreten. Woran liegt das wohl? Sind unsere Handwerker und Bauarbeiter so unfähig? Oder zu faul? Oder haben sie einfach keine Lust zu arbeiten? Nein! Sieh Dich doch heut mal auf einer deutschen Baustelle um. Es wimmelt von ungelernten, oft ausländischen Arbeitern, die dort für ein Appel und ein Ei arbeiten. Viele sprechen kein oder nur wenig deutsch. Eine Kommunikation mit anderen Gewerken? Fehlanzeige. Die meißten versteht man ja nicht. Und außer deutsch, englisch und ein paar Restkenntnisse Russisch sprech ich keine anderen Sprachen weiter. Ist ja auch egal, Hauptsache billig.
Flotte_Lotte schrieb:
Zitat
Aber...der Druck, der von oben ausgeübt wird - ist nichts anderes als eine Schwäche von Führungskräften
Auch hier. Vollste Zustimmung. Doch was macht der einzelne dagegen, was kann er dagegen machen?
Bei dieser Auswandereserie im Fernsehen, kam vor ein paar Monaten ein Zimmermann aus MVP der nach Norwegen ausgewandert war. Am ersten Arbeitstag hat ihm sein Chef dort eine Aufgabe zugewiesen und sich erst nach einer Woche wieder auf der Baustelle blicken lassen. Hat sich dann die ausgeführten Arbeiten angesehen und war ganz begeistert. Er sagte dem Angestellten das er sehr zufrieden mit der Qualität und dem Tempo der Arbeit war. Klopfte dem Mann auf die Schulter sagte weiter so, Leute wie sie brauchen wir hier und ich hoffe mal auf eine recht lange Zusammenarbeit. Dann ging er. Der Zimmermann war völlig perplex und sagte dem Kamerateam, sowas hätte er in Deutschland noch nie erlebt, nämlich Anerkennung für seine Arbeit. Der Mann war Mitte 40 und kannte aus Deutschland von seinen Chefs nur Sprüche wie mach schneller, Du bist zu langsam, das ist Mist, was machste eigentlich den ganzen Tag auf der Baustelle und und und. Ein kleines bißchen Anerkennung, ein kurzes- haste aber super gemacht- er kannte es nicht aus der Heimat. Doch im Ausland wurde seine Arbeit geschätzt und anerkannt. Als ich das gesehen hatte gab mir das schon zu denken. Und ich mußte feststellen, das es bei mir ganz genauso ist. Ständig Druck von "oben", eine Anerkennung für geleistete Arbeit hab ich von meinen Chefs noch nie erhalten, und ich meine hier keine finanzielle. In Portugal habe ich diese Anerkennung jedoch selbst erlebt. Immer wieder waren die Leute erstaunt wie zügig und ordentlich man arbeitet. Man freute sich über die geleistete Arbeit und brachte das mir gegenüber auch oft zum Ausdruck. Ich hab dort immer viel Spaß auf der Baustelle gehabt, ja ich hatte richtig Freude an meiner Arbeit. Doch diese Freude an der Arbeit ist hier in Deutschland immer seltener.
Pamina schrieb:
Zitat
Joes Stelle ist sicher nicht so leicht ersetzbar ,wie die eines Malers oder Kochs oder weiß ich......, das ist natürlich auch noch so eine Geschichte, die aber sicher für Joe auch nochmal Sicherheit bringt.
So sehe ich es auch. Denn auch hier ist es, so das die Arbeit des IT-Fachmannes höher eingeschätzt wird als die eines Hanwerkers, Bauarbeiters, Fließbandarbeiters und anderen. Warum eigentlich. Niemand ist der Ansicht ein ungelernter 20-Jähriger Hauptschüler könnte die Arbeit machen, die z.B. ein Joesachse macht. Doch die selben Leute denken, das der selbe 20-jährige Hauptschüler jedwede Handwerksarbeit genausogut ausführen kann wie ein gut ausgebildeter Geselle. Warum machen wir denn eigentlich eine 3-3-einhalbjährige Ausbildung, wenns doch so einfach ist? Und da sind wir wieder da, wie schon oben geschrieben. Es gibt keine Anerkennung für unsere Arbeit. Wir sind eben "nur" Handwerker, jederzeit ersetzbar durch osteuropäische Billigarbeiter.
kehrwoche schrieb:
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Aber ich denke auch, viele sind selber Schuld. Wenn ich einen wackligen Arbeitsplatz habe, kaufe ich mir eben kein Auto auf Pump und ich fange auch nicht an ein Haus in einer strukturschwachen Region zu bauen, wenn sich dadurch meine finanzielle Abhängigkeit derart verschlechtert, daß ich im Ernstfall gezwungen bin jede x-beliebige Arbeit anzunehmen, nur um nicht Gefahr zu laufen Haus und Hof zu verlieren.
Man sollte schon im Stande sein, auch mal ein halbes Jahr Arbeitslosigkeit locker zu überstehen, dann lebt man schon ziemlich stressfrei in Deutschland.
Teilweise Zustimmung von mir. Ist der Arbeitsplatz nicht sicher, kauf ich nicht auf Pump. Richtig. Doch wie meinst Du das mit x-beliebiger Arbeit annehmen? Das Problem ist, das man im Falle der Arbeitslosigkeit vom Arbeitsamt gezwungen wird, jeden noch so miesen und schlecht bezahlten Job anzunehmen. Im Bekanntenkreis leider schon erlebt. Da spielt es keine Rolle ob du ein halbes Jahr Arbeitslosigkeit finanziell überstehen kannst oder nicht. Das Amt macht Druck und du hast zu springen. So ist das nun mal. Ich habe eigentlich immer recht gut verdient, Frauchen hat auch nicht die schlechteste Bezahlung. Ich könnte auch locker ein Jahr Arbeitslosigkeit überbrücken ohne großartige Einschränkungen, außer vielleicht der Verzicht auf eine Urlaubsreise. Doch weißt Du wie Deine Aussage vielleicht auf den kleinen Wachmann wirkt, der seit Jahren für 5 € die Stunde, an 6 Tagen die Woche im 12-Stunden-Dienst seine Schicht schiebt? Wovon sollte der wohl mal so locker flockig ein halbes Jahr Arbeitslosigkeit überbrücken? Erparnisse wird dieser Mann wohl kaum haben.
So, jetzt mag mancher denken, was ist das wohl für ein frustrierter Zausel, doch so ist es nicht. Ich hab gerade bei meiner Privaten Kundschaft immer noch viel Freude an meiner Arbeit. Ich freue mich auch heut noch, wenn ich in ein völlig runtergekommenes Treppenhaus komme, in dem seit 30 Jahren nix mehr getan wurde. Und 3 Wochen später, wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin, ist alles wieder schön neu und erstrahlt in frischem Glanz, ja dann bin ich zufrieden und freue mich drüber. Und das kann mir auch kein Chef oder sonstwer vermiesen. Denn wenn man die Freude und den Spaß an der Arbeit ganz verliert, ich glaube dann kann man seinen Job gleich hinschmeißen.
Ein schönes Wochende,
micha