Zitat von tommes
@Mutterheimat:
Wie war es denn damals nach der Kapitulation? Was hast Du in dem Moment gedacht, als die Mauer gebaut wurde? Ich würde gern so alt sein, wie Du!
thomas
Hallo Tommes,
also bis zur Kapitulation habe ich keine Erinnerungen mehr, aber an so Geschichten wie den 17. Juni 1953 oder natürlich an den Mauerbau erinnere ich mich noch lebhaft.
Die Zeit ab Juli 1961 war ein permanenter Ausnahmezustand - ich wohnte ja in der Nähe von Berlin und wir registrierten jede Veränderung. Schon ab Jahresanfang lagerten sie Stacheldrahtrollen und Betonpfähle an der Berliner Stadtgrenze, ich machte mir meinen Reim drauf: damit wollen sie die Grenze abriegeln, die damals noch durchlässig war. Fernsehen spielte noch keine große Rolle, dafür der Hörfunk umso mehr. Der Sender RIAS wurde auf der Mittelwelle permanent gestört, dazu wurden ca. 250 Störsender in der ganzen DDR errichtet. Der RIAS berichtete über Einzelheiten im Osten, die im offiziellen DDR - Rundfunk nie zu hören waren - das ärgerte die SED - Bonzen maßlos. Er wurde ständig als "Hetzsender" diffamiert, aber die SEDisten hörten ihn natürlich selbst auf den ungestörten UKW - Frequenzen...
Die Mauer sollte natürlich den Flüchtlingsstrom eindämmen, der in dieser Zeit, ähnlich wie wieder 1989, Rekordausmaße annahm. Jeden Tag machten sich zwischen 5000 bis 10000 ! Menschen auf die Socken - nicht, weil sie der "Klassenfeind" abwarb, oder "Menschenhändler" und "Kopfjäger" (...wie in Zentralafrika vor 500 Jahren...!) am Werk waren, die arme unschuldige DDR - Bürger zur Flucht verleiteten, sondern weil diese "die Schnauze voll" hatten von der DDR - Wirklichkeit. Die SED wusste das genau, aber das hielt sie nicht davon ab, ständig so einen Blödsinn wie oben zu verbreiten. In deren primitiven Propaganda war der Sozialismus ständig am Siegen, bewies täglich seine "Überlegenheit" - und derweil bröckelten die Fassaden, in den Geschäften war immer alles knapp oder "gab es" erst gar nicht - nicht angebotene Waren kauften wir uns in West - Berlin, es waren so einfache Dinge wie Margarine, Packpapier, Nägel oder Bücklinge... und wer sich kritisch über diese Zustände äußerte, landete im Stasi - Knast. Diktatur des Proletariats - ganz handgreiflich!
Zeitungen aus dem "Westen" waren im Osten nicht zu kaufen, man musste sie über die Grenze schmuggeln. Aber das galt nur für das gemeine Volk - im Osten sollten sie ja alle gleich sein, aber es gab Leute, die waren "gleicher" als die anderen, für die galt das alles nicht. Sie hatten über die Firma "HO - Spezialwaren" Zugriff auf ansonsten nicht verfügbare Waren incl. Zeitungen und Autos; oder sie konnten selbst in West - Berlin einkaufen - allen voran der "Oberklassenfeind" Carl-Eduard von Schnitzler, der sich über den ach so bösen "Kapitalismus" im Westen im DDR - Fernsehen abgiftete ("der schwarze Kanal").
Es gab aber auch Schlaumeier, die es verstanden, sich diese künstlich geschaffene Ost-West - Situation zunutze zu machen: sie kauften im Osten heruntersubventionierte Ware, verkauften sie gegen "Westmark" in West-Berlin, tauschten den Erlös wieder in Ostmark um und bekamen dann den vier- bis fünffachen Nominalwert. Wenn sie dieses Spielchen oft genug wiederholten, konnten sie sich bald zur Ruhe setzen...
Zu der Zeit waren die Telefonverbindungen zwischen Ost- und West - Berlin längst gekappt - "wer hat's erfunden"? - natürlich die SED! Immer irgendwas einzuschränken oder zu verbieten - darin waren sie Meister. Seit Juli 1952 durften zum Beispiel die West - Berliner nicht mehr ins Umland fahren. (Auf Kuba ist es mit derartigen Verboten bis heute noch so - man wundert sich, was plötzlich wieder zugelassen wird, z. B. Handy - Besitz - natürlich war er bisher verboten...)
Der größte Unsinn ist bis heute, diese Mauer als "antifaschistischen Schutzwall" zu bezeichnen! Faschisten gab es unter Mussolini in Italien; in Deutschland hießen diese Brüder "National - Sozialisten"; die wurden 1945 besiegt und abgeurteilt in Nürnberg.
Die Mauer hingegen sollte den Flüchtlingsstrom eindämmen und damit die Macht der SED sichern. Jeder wusste das und weiß es bis heute - Täter und Opfer gleichermaßen.
Es hat eigentlich viel zu lange gedauert, bis sich dieser Laden von selbst totlief.
Jetzt ist dieser Beitrag wieder mal viel zu lang geworden - sorry!
Gruß Wello