Zitat von Schlawine
Hallo Wello,
wurde mit den selbständigen Geschäftsleuten auch so kompromisslos umgegangen ?
Liebe Grüße
Hallo Schlawine,
..."im Prinzip ja"! Das ganze zog sich aber länger hin und in Schüben. Zielsetzung war, den gesamten Mittelstand zu zerschlagen, das war dann auch in den Siebzigern vollendet - von ein paar Ausnahmen abgesehen. Das ganze wurde ausschließlich ideologisch begründet.
Es begann in den frühen Fünfzigern mit Schauprozessen gegen einige Fabrikbesitzer etc. Denen hing man irgendwas an, wollte sich ihre Fabriken und Häuser aneignen. Es war alles inszeniert, die Urteile standen vorher schon fest - wie beim berüchtigten "Volksgerichtshof" bei Adolf Hitler. Die "Urteile" fielen äußerst drastisch aus - langjährige Zuchthausstrafen, auch Todesstrafen waren dabei. Viele der bis dahin noch nicht Betroffenen sind daraufhin in Richtung Westen abgerückt - das war ja der beabsichtigte Effekt.
Später wurden die Steuergesetze geändert, bei guter Umsatz- und Gewinnlage mussten die verbliebenen Firmen bis zu 95% ! Steuern zahlen - ähnlich wie übrigens eine Zeitlang in Schweden! Außerdem erzwang der Staat eine Firmenbeteiligung, er wollte Gewinne mitkassieren und Einblick in die Bücher bekommen. Diese "halbstaatlichen" Firmen nannte der Volksmund "halbseidene" Betriebe...
Die kleinen Handwerksbetriebe wurden genötigt, sog. "PGH"s zu gründen ("Produktionsgenossenschaft des Handwerks"). Am Ende waren die "1000 kleinen Dinge" des täglichen Bedarfs, wie sie offiziell genannt wurden, komplett aus den Läden verschwunden:
Firmen weg, Produkte weg, Leute weg, Dienstleistungen weg! Auch die handwerklichen Dienstleistungen wurden so knapp, dass selbst die "Gleicheren" darunter zu leiden hatten. In speziell inszenierten Propaganda - Kampagnen wurden dann größere, staatliche ("VEB") und meist branchenfremde Firmen beauftragt, ersatzweise Zusatzproduktionen anzukurbeln, um die entstandenen Lücken zu füllen. Die Bevölkerung behalf sich derweil mit Tauschhandel oder privaten Westimporten - wer Verwandte im Westen hatte, bekam Pakete...
Trotzdem nahm die DDR - Wirtschaft in den Sechzigern einen gewissen Aufschwung. Sie begann aber bereits Anfang der Siebziger wieder zu stagnieren, um dann stetig abzusteigen - bis 1989.
Obwohl's jetzt nochmal etwas länger wird - hier passt eine typische Geschichte rein, nämlich der heimliche Großimport von Tapetenkleister und Rauhfasertapeten Anfang der Achtziger. Um diese Zeit war in der gesamten DDR kein Tapetenkleister und/oder Rauhfasertapete erhältlich - Grund: s.o. Viele Leute schrieben darufhin "Eingaben" an die Parteispitze (das wird in dem Film "Good bye, Lenin" so schön dargestellt).
Die Parteiführung musste reagieren und holte aus zu einem Rundumschlag. Sie kaufte auf einen Schlag
den gesamten Jahresbedarf für die DDR bei der Hoechst AG in Frankfurt/M. Die sollten diese Menge innerhalb von 4 Wochen liefern, fertig verpackt in
neutralen Pappschachteln! (neutral deswegen, damit das gemeine Volk nicht erfährt, wo der Kleister herkommt) Mit dieser knappen Zeitvorgabe waren aber selbst die Hoechster überfordert. Man handelte einen Kompromiss aus: dann eben
lose in Kesselwagen in einem Güterzug zu liefern... Hoechst lieferte die Menge pünktlich - derweil bekamen mehrere Pappschachtelfirmen entsprechende Aufträge für neutrale Pappschachteln. Ein paar Tage später waren sämtliche DDR - Gefängnisse gut beschäftigt - die Insassen mussten die Pappschachteln füllen aus den Kesselwagen...
Und, oh Wunder - plötzlich "gab es" auf einmal in allen einschlägigen DDR-Läden Tapetenkleister und Rauhfasertapeten (bei diesem Produkt lief es ähnlich)!Diese Geschichte habe ich erst gar nicht glauben wollen, hatte aber dann Gelegenheit, sie mir von einigen der beteiligten Akteure bestätigen zu lassen... Sachen gibt's-
Was passiert, wenn man eine Planungskommission in die Wüste schickt?
Erst mal sehr, sehr lange gar nix. Und dann wird plötzlich der Sand knapp... :-))Gruß Wello