Ossi Forum - bundesweites Kontakt- und Unterhaltungsforum
RE: Hausbuch - 2
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Ich war zusammen mit meinen Eltern zu Besuch bei meiner Oma. Die wohnte damals in Fürstenberg/Oder. Der Ort ist dann später in Stalinstadt eingemeindet worden. Weiter später dann umgetauft in Eisenhüttenstadt.
Dazu muß ich sagen, daß meine Eltern aus der Zone noch in den 50igern geflüchtet sind, aber die Eltern der Mutter waren in Fürstenberg geblieben.
Bei Besuch mußte man sich beim 'Hausbuchbeauftragten' melden und dort wurde Name, Herkunftsadresse und Beruf eintragen. Der Hausbuchbeauftragte war eine Art Blockwart, in der Zone hieß der - so glaube ich- 'Abschnittsbevollmächtigter'. Wie dann mal in einer ARD Sendung zu sehen war, waren die 'ABV's dann meist auch verdeckt arbeitende Stasi-Spitzel.
Auch wenn es von Ewig-Gestrigen nicht so gern gehört wird, die ABV's mit ihrem Hausbuch-Handling waren das unterste Element der allgegenwärtig erscheinenden Überwachungsapparats, der einem schon 'beeindruckend' entgegenschlug, wenn man in Marienborn die Zonengrenze passierte und dort als 'Einreisender in die DDR' ordentlich gefilzt wurde.
Na, jetzt wirfst Du ja einiges durcheinander. Der Hausbuchfuehrer wurde meist vom Vermieter (i.d.R. kommunale Wohnungsverwaltungen) bestimmt, weil es eben einen geben musste. Als Hausbeauftragter hielt er auch den Kontakt fuer eventuelle Reparaturen und sowas alles. Der Abschnittsbevollmaechtigte war ein Angehoeriger der Volkspolizei, i.d.R. im Offiziersrang, der fuer ein bestimmtes Gebiet zustaendig war und erster Anlaufpunkt bei eventuellen Ermittlungen. Er war kein IM, sondern zur Zusammenarbeit mit Ermittlungsorganen, also auch dem MfS, verpflichtet, die sich aber meistens ohnehin als Kriminalpolizei auswiesen. Um dabei eine gute Figur zu machen, war der ABV recht neugierig und nahm, auch das gehoerte zu seinen Pflichten, regelmaessig Einsicht in die Hausbuecher seines Beritts. Stasi -Zutraeger (IMs) gab es ueberall mit und ohne Uniform. Tueckisch, weil es jeder sein konnte, auch der stille Trinker an der Kaufhalle.
ein ABV , im Volksmund auch Dorfsheriff genannt , das war kein Offiziersdienstgrad ( die saßen dann in höheren Polizeiebenen ) und den kannte auch jeder . Einer mußte ja den Job machen , genauso wie es heute ist .
Und die Hausbücher , das hat doch niemand verbissen gesehn, was da drin stand .
Alle mir bekannten ABVs waren Leutnant der VP , und das ist ein Offiziersdienstgrad. Allerdings waren da einige Blinkbirnen dabei, wenn ich so daran zurückdenke, wenn unsere Kleinkraftradfahrgemeinschaft (ugs."Mopedclique ") von einer "Schwalbe " angehalten wird...
entschuldige bitte, dass ich mich in diesem, von mir gestarteten Eingangsthread nicht noch mal explizit vorstellte, aber ich möchte anmerken, dass ich mich artig vorstellte, dass mein Profil vorhanden ist, im Gästebuch steht etwas über mich, das mag für den Anfang genügen und ansonsten bin ich immer erstmal dafür, sich ein wenig in den Diskussionen kennenzulernen.
Die von Dir genannten Personen, auf die Du Dich beziehst, sind mir unbekannt. Wie vermutlich so viele andere Mitglieder hier, bin auch ich in anderen Foren zugegen, und in einem dieser Foren wurde im Rahmen einer Diskussion von einer Userin das "Hausbuch" erwähnt. Da ich hier im Westen aufgewachsen bin, mein Wissen über die DDR sich also auf das, was meine Tante dort erlebte, den Geschichtsunterricht, die Erlebnisse der Familie, in die ich eingeheiratet bin und die von mir selbst gemachten Beobachtungen und Erfahrungen vor und nach dem Mauerfall bezieht, wollte ich mehr über das Hausbuch wissen. Daher eröffnete ich den Thread, in der Erwartung, die Hintergründe dazu, die Gefühle und die Gedanken, die Vor- und die Nachteile zu erfahren. Nicht, um zu schwadronieren, und auch nicht um irgendeinen Auftrag zu erfüllen.
Genügt das??
Ich dachte, hier in diesem Forum sei der richtige Platz dafür, aber ich erlebe gerade, dass sich jemand durch eine sachlich gestellte Frage offensichtlich persönlich betroffen fühlt und DAS macht mich sehr sehr nachdenklich.
Zitat von Ilrak im Beitrag #20Alle mir bekannten ABVs waren Leutnant der VP , und das ist ein Offiziersdienstgrad. Allerdings waren da einige Blinkbirnen dabei, wenn ich so daran zurückdenke, wenn unsere Kleinkraftradfahrgemeinschaft (ugs."Mopedclique ") von einer "Schwalbe " angehalten wird...
Achja , da war doch das mit der Tierquälerei : zwei Bullen auf einer Schwalbe .
Mit dem Genossen ABV und dem Hausbuch habe ich das so in Erinnerung: Es wurde nach dem Mauerbau im SED-Staat eingeführt. Das Hausbuch lag bei einem 'Neubau', so hießen dort die Plattenbauten, andere neue Häuser wurden ja kaum gebaut, bei irgendeinem eifrigen Genossen, der dort wohnte und das Hausbuch verwaltete. Mein Onkel, mit der SED hatte der ganz bestimmt nichts am Hut, wohnte in seinem Einfamilienhaus und mußte dort selbst das Hausbuch führen.
Der Genosse ABV, ob nun im Dienstgrand eines VP Offiziers oder nicht, davon habe ich keine Ahnung, schwänzelte immer in der Gegend herum und zeigte bei Westbesuch besonderes Interesse am Hausbuch, ob dort alles auch ordnungsgemäß eingetragen wurde. Ich habe jetzt extra bei Wikipedia nochmal nachgesehen, das Hausbuch interessierte die Vopo ('Volkspolizei') wovon der ABV einer war und die Stasi. Interessant dort auch der Hinweis, daß das Hausbuch zur Kontrolle der Bevölkerung im Zarenreich eingeführt und dann offensichtlich von der SED vom Sowjet-System übernommen wurde. "Die Hausbücher wurden von Hausbuchbeauftragten geführt und regelmäßig von Abschnittsbevollmächtigten bzw. Polizisten kontrolliert. Im Jahr 1980 gaben die Hausbuchbeauftragten 20650 verwertbare Hinweise an die DVP weiter" heißt es in einem Eintrag der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, was auch die Ursprungsfrage der Foristin beantwortet, welche Aufgabe das Hausbuch hatte. Also nicht nur der Vopo-ABV, der in der ARD-Sendung gezeigt wurde, wie er einen 'Bürger' zu der 'Klärung eines Sachverhalts' festhielt, während die Stasi seine Wohnung filzte und verwanzte, auch der 'Hausbuchbeauftragte' war als Spitzel im SED-Regime zumindest fallweise tätig.
Dass dann in den späteren Jahren des SED-Regimes bei der Verwaltung des Hausbuchs zunehmend geschlunzt wurde, entspricht auch meiner Beobachtung. Nach meiner Erinnung mußte sich der Westbesuch sowieso unverzüglich nach Ankunft bei der zuständigen Vopo-Dienststelle melden. Das Hausbuch hatte die Aufgabe, auch Privatbesuch und private Treffen innerhalb des SED-Staats zu erfassen.
Zitat von flora im Beitrag #21Ich dachte, hier in diesem Forum sei der richtige Platz dafür, aber ich erlebe gerade, dass sich jemand durch eine sachlich gestellte Frage offensichtlich persönlich betroffen fühlt und DAS macht mich sehr sehr nachdenklich.
Das Forum ist sicherlich der richtige Platz für Deine Frage. Das Phänomen, welches Du hier erlebst, ist auch nach meinen Erfahrungen häufig bei ehemaligen DDR-Bürgern anzutreffen. Eine Frage wird als Kritik verstanden. Und eine Kritik an der DDR wird als persönlicher Angriff empfunden, vor allem von jenen, die durchaus eine glückliche Zeit in der DDR hatten, auch ohne SED-Bonzen gewesen zu sein. Eine Ursache liegt sicherlich darin, das nach der Wende zunächst alles, was in der DDR war, völlig undifferenziert verurteilt und als schlecht dargestellt wurde. Der zweite Grund liegt hier im Forum darin, dass es einige Benutzer gab, die genau mit diesem Grundtenor hier permanent provoziert haben.
Insofern finde ich es ganz gut, dass die Reaktionen auf Deine Frage Dich nachdenklich machen, ich habe hier versucht, zu erklären. Und lasse Dich nicht von weiteren Fragen abhalten, die meisten hier sind nett und freundlich, und auch Weinböhlaer hat meistens eine eher sachliche Art.
Gruß JoeSachse
Jede Geschichte hat vier Seiten. Deine Seite, Ihre Seite, die Wahrheit und das, was wirklich passiert ist.(Bruce Sterling)
#25 von
stasigegner
(
gelöscht
)
, 07.01.2013 10:12
meiner Erfahrung nach war dieses Hausbuch lediglich zur Überwachung und Erstellung von heute würde mann sagen Bewegungsprofilen gedacht. Der Staat bzw. seine "Sicherheitsorgane" stellten erst einmal jeden seiner Bürger unter Verdacht und Besucher aus dem Ausland besonders aus dem westlichen wurden besonders misstrauisch beobachtet.Da war doch jeder einfache Bundi ein Klassengegner.Schon vergessen? Der Vergleich mit heutigen Ausspähmethoden durch Privatunternehmen (Facebook,Google) usw. ist völlig daneben. Die scheibenweise Aushöhlung von Bürgerrechten im Namen z.B. des Antiterrorkampfes in westlichen Ländern ist jedoch sehr bedenklich.Aber das ist ein anderes Thema. Das Hausbuch war einfach nur ein Mittel zur Erhaltung der Diktatur und eine Aufforderung an die Bürger immer die Augen offen zu halten gegenüber Abweichlern, Assis,Ausreisewiligen,Bluesern, Punks usw.. Einfach allen gegenüber die anders waren als die ruhige Masse.
Ich könnte mir aber gut vorstellen, daß es Hausbücher schon viel früher gab, z.B.in der Weimarer Republik, geführt vom Hausmeister, der Ordnung halber. Ebenso liebenswert war ja die Haustafel, wo nicht nur jeder Mieter, sondern auch Eigentümer und Verwalter und natürlich auch der Hausbuchführer angezeigt wurden. Lustig war bei uns "Rechtsträger : AWG Transport ". Was macht man, wenn man Linksträger ist? Oh, ich werde off -topic.
In unserem Hauseingang, AWG Glück auf Süd, wurde jeder mal Hausbuchführer. Alle acht Mieterfamilien. Alle zwei Jahre ging das Buch weiter. Auch an die Mieter die überwacht wurden, weil sie selbst einen Ausreiseantrag laufen hatten. Über dieses Relikt schmunzeln die Hausbewohner noch immer. Da sie nun schon fünfzig Jahre, bis auf die Ausgereisten, miteinander leben, wissen sie um die"Brisanz" dieses Themas. Ernst genommen hat diese Schwarte der ABV nur einmal in all den Jahren. Nicht wegen der Westgäste, sondern wegen eines in die Freiheit der DDR entlassenen Kriminellen. Auch solche ABVs gab es. Gewußthat er sicher auch mehr. Ist sicher auch damals schon eine Frage des Menschen der sich dahinter verbirgt, und wie er mit dieser Machtpostion umgeht, gewesen. Nicht unbedingt ne Frage des Systems. Betroffene sehen solche Sachen eh emotionaler als ragional. Ist ja nachvollziehbar. Weinböhlaer, das Schwadronieren ist doch erst möglich, seit die Infos öffentlich zugängig sind. Flora, die Eigenverantwortung wird doch eingefordert. Schau mal genauer hin, von wem.
Nehmt euer Herz in beide Hände, und macht was draus. (Zitat von Lutz Bertram. Ehemaliger blinder DT64 Moderator, den leider die Stasi in ihre Fänge bekam) Buhli
Also Bei meiner Omi war der Hausbuchbeauftragte über viele Jahre immer der gleiche. Dem alten Herrn war es jedes Mal sichtlich peinlich und er entschuldigte sich immer mit "den Vorschriften". Uns war es egal. Es war für uns ungewöhnlich aber es tat ja auch nicht weh Anschließend wurde immer noch ein Gläschen getrunken. Das war glaube ich für den guten Mann das schönste daran.
Schlawine --------------------------
„Nichts spornt mich mehr an als die drei Worte: Das geht nicht. Wenn ich das höre, tue ich alles, um das Unmögliche möglich zu machen.“ Harald Zindler, dt. Umweltaktivist, 1981 Mitbegründer Greenpeace Deutschland
Fragt doch einmal im Westen nach , wer hier alles freiwillig ein Hausbuch führen würde , aber dann mit allen Namen auch von Hund und Katz , sowie der Anzahl der Fische im Aquarium !
Stimmt, gerne hat es niemand gemacht. Viele Einträge gab es eh nicht. Den meisten Westbesuch hatten ja wir. Alle zwei Jahre mal. Nur als die Ausreisewilligen dieses Buch erhielten, war das Gelächter groß. Ob die das die zwei Jahre durchgezogen haben oder eher beendet haben, weiß ich nicht, weil sie 1986 gehen durften. Der stille Portier, den es ja heute auch kaum noch gibt, wäre allerdings trotzdem noch heute recht hilfreich. Nicht nur für Behörden oder Betrüger.
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