Ich bin mir micht sicher, Hansrudi. Bist Du nur unglaublich naiv oder tatsächlich so unwissend?
Warum flüchten Millionen Kubaner? Weil sie so frei sind auf ihrer Insel? Weil es ihnen so gut geht im sozialistischen Paradies? Warum gehen Milionen Kubaner freiwillig ins Elend der Vereinigten Staaten? Hast Du Dir diese Fragen mal gestellt?
Du glaubst, die Kubaner freuen sich ihre tollen Amischlitten fahren zu dürfen? Zu dürfen? Nein, sie müssen! Es gibt nämlich für Kubaner kaum eine Möglichkeit moderne Autos zu kaufen. Amerikanische Autos mit japanischen Motoren und Ersatzteilen Marke Eigenbau. Das ist die Realität. Man nimmt was der Schwarzmarkt so bietet und was Verwandte aus den USA nach Kuba schmuggeln (lassen).
Frei sind die Kubaner also. Was weißt Du eigentlich über Kuba, werter Hansrudi? Vermutlich nichts. Kuba ist schön, sehr schön. Die Menschen dort sind immer freundlich, immer nett, es wird viel gelacht und getanzt. Kubaner sind so ein lebensfrohes Volk, das habe ich selten irgendwo anders auf der Welt erlebt. Aber Kubaner sind auch arm, bitterarm. Touris fahren meist in die typischen Touristenhochburgen. Varadero, Holguin, Ausflüge nach Havanna. Ansonsten liegt man am hoteleigenen Traumstrand, lässt sich bedienen, geniesst das schöne Wetter, 1 - 2 geführte Ausflüge, das wars. Es gibt alles in den Touristenburgen. Essen, Trinken, Bespaßung. Alles ist im Überfluß vorhanden. Kubaner dürfen nicht dort hin. Dafür brauchen Kubaner eine Genehmigung. Die bekommen sie z.B. weil sie dort arbeiten, weil sie Beziehungen haben oder warum auch immer. Einfach so mal dahin, das ist für den normalen Kubaner nicht möglich. So viel Freiheit muß schon sein.
Ich mag diese Bettenburgen nicht sonderlich, bin in der Regel auf eigene Faust im Urlaubsland unterwegs. Das ist in Kuba mittlerweile auch möglich, aber nicht ganz günstig. Bei meiner ersten Reise Anfang der Neunziger war das sogar noch recht abenteuerlich. Wenn Du Dich außerhalb der Touristenhochburgen bewegst, wirst Du schnell das wahre Kuba kennenlernen. Das Kuba ohne Strom, ohne fließendes Wasser, das Kuba der leeren Geschäfte, der verfallenden Häuser, usw. Aber Du wirst sicher wie in Abrahams Schoß reisen, denn die "Aufpasser" sind immer da. Man erkennt sie schnell.
In Kuba gibt es zwei Währungen, den Peso und den Peso convertible (CUC). Anfang der Neunziger konnte man überall mit US-Dollar zahlen. Heute darf man als Ausländer nur noch den CUC verwenden. Den kann man eintauschen in Banken und Wechselstuben. Die gibts überall in den Touriburgen. Außerhalb wird es schwierig. Weder wird man einen Geldautomaten finden und nur ganz wenige Wechselstuben. Also besser soviel Bargeld mit sich rumschleppen, wie man für die gesamte Reise benötigt. Leihwagen den hatte ich vergessen. Ist schweineteuer. Kubaner können sich keine Autos leihen. Das machen nur Ausländer. Alles was nur für Ausländer ist, ist eben schweineteuer. Da kostet ein Clio mit 100.000 km auf der Uhr schon mal 140 € pro Tag. Aber keine Angst. Der Staat sorgt schon dafür. das dieses Geld nicht bei der eigenen Bevölkerung ankommt. Besitz engt nur ein! Nicht wahr, Hansrudi? All die schöne Kohle, die schöpft Vater Staat nämlich ab. Mit Lizenzgebühren. Mit überhöhten Steuern auf Deviseneinnahmen. Geht ganz einfach. Nimm zum Beispiel die Casa Particulares. Das sind private Unterkünfte für Ausländer, die im Land unterwegs sind. Hotels gibts nämlich keine außerhalb der Bettenburgen. Casa Particulares können alles sein. Meistens ein Zimmer im Haus oder der Wohnung der Eigentümer. Manchmal ein kleines Häuschen.In der Regel hat man eben ein Zimmer was man vermietet. Casa Particulares sind voll cool. Man wohnt bei den Leuten, frühstückt gemeinsam, wird bei Ausflügen in die Umgebung begleitet. Bedingt durch die Herzlichkeit der Menschen dort, lebt man mit den Leuten wie ein Familienmitglied auf Zeit. Aber es ist auch irgendwie traurig. Nämlich dann, wenn merkt das der Strom für die Klimaanlage in seinem Zimmer vom Generator kommt während die eigentlichen Bewohner im Dunklen sitzen. Oder wenn man mitkriegt, das es das tolle, opulente Frühstück für alle nur gibt, weil man mit den 3 CUC die man dafür zahlt, gerade das Frühstück für alle finanziert hat. Naja, Besitz engt sowieso nur ein. Für uns ist dieses ursprüngliche Leben natürlich wahnsinnig romantisch. Für Kubaner ist es ein Überlebenskampf. Die Übernachtung kostet um die 30 CUC. Der Besitzer der Casa Particular zahlt pauschal 200 CUC pro Monat für die Lizenz zum Vermieten. Ein kleines Vermögen in Kuba. Von den Einnahmen werden nochmal 40 % Steuern fällig. D.h., wenn man es schafft 15 Tage im Monat Gäste zu haben, zahlen die bei 30 CUC pro Nacht insgesamt 450 CUC. 200 gehen für die Lizenz drauf. Von den restlichen 250 bleiben nach Abzug der Steuer 150 CUC übrig. Davon Betriebskosten wie Strom, Wasser, Toilettenartikel, Reinigung, usw.abgezogen, bleiben dem Vermieter 100- 120 CUC im Monat übrig. 1 CUC entspricht einem US-Dollar. Dieser Verdienst ist ein Spitzenverdienst in Kuba. Ein Arzt verdient ungefähr 30 CUC im Monat.
Gerne schwärmt man vom ursprünglichen Kuba. Vom tropischen Inselparadies. Lässt sich leiten von den tollen Bildern aus Fernsehreportagen oder aus Urlaubsprospekten. Doch außerhalb der Tourizentren und den großen Städten, deren Aufbau und Instandhaltung im übrigen hauptsächlich von UNESCO und Exilkubanern finanziert wird, sieht es anders aus. Straßen haben das Niveau von Feldwegen. Die tollen Amischlitten sieht man in den Dörfern nicht mehr. Höchstens einen alten Lada oder verrosteten Pick Up von anno pief. Viele Häuser in erbarmungswürdigem Zustand. Es gibt auch schöne Häuser. Deren Besitzer haben aber geflüchtete Verwandte im Ausland, die das mit ein paar Dollar finanzieren. Strom gibts mal, mal nicht. Fließend Wasser ist auch selten. Gibt ja Brunnen. Aber was mir immer in Erinnerung bleiben wird ist der Gestank. In den Städten gibt es eine funktionierende Abwasserentsorgung. In den Dörfern nur selten. Keine Ahnung wie und wo die ihre Abwässer entsorgen. Wahrscheinlich irgendwo am Dorfrand. Je nachdem wie der Wind steht, hat man diesen tollen Geruch von Kloake und Fäkalien in der Nase. Oft den ganzen Tag.
Ich habe keine Ahnung, woher dieser verklärte Blick auf das angeblich sozialistische Paradies herkommt. Tatsächlich geht es den Menschen nicht sonderlich gut. Wer einen Job in der Tourismusbranche oder geflüchtete Verwandte im Ausland hat, der lebt recht gut. Für den Großteil der Kubaner ist das tägliche Leben ein Überlebenskampf in bitterster Armut. Nur das will man nicht sehen. Die Vorstellung vom Paradies ist ja auch viel schöner.
Sonnige Grüße,
micha