Das auf meinen letzten Satz über die Grenzer angesprungen wird, ahnte ich.
@ joesachse
Ich vermute mal ganz kühn, dass Du in der 9. PD gedient hast. Von da hörte man öfter mal so ne Geschichten, wie Du sie geschrieben hast. Ob Sie so oder anders gewesen sind, weist natürlich nur Du aber ich glaube Dir. Leider kamen solche Dinge vor, sind aber aus meiner Sicht nicht verallgemeinerungswürdig für die NVA und ich habe in mehreren TT gedient, war auch Soldat und Uffz-Schüler (allerdings nicht an einer Schule sondern im Truppenteil) bevor ich an die Offizierschule gegangen bin. Bei den Fallschirmjägern wurde in einem 10 monatigen Kurs, in einem selbständigen Zug, der Unteroffiziersnachwuchs heran gebildet.
Gerade junge, unfertige Menschen als Vorgesetzte von gestandenen Männern, birgt immer ein Problem.
Leider war die Stellung des Berufsunteroffizierkorps in der NVA nicht die, die dieses Korps der Portepeeträger in allen sonstigen deutschen Armeen einnahm.
Man nannt diese Charge von erfahrenen Unterführern früher nicht umsonst, das "Rückrat der Armee". Verfehlte Kaderpolitik, ungenügende Ausbildung des Unteroffizierskorps aber auch zu wenig Anerkennung für die Männer, die sich für 10 Jahre als Unteroffizier verpflichtet hatten, war daran Schuld. Erst wenn diese Männer, die meistens nur 6 Monate U-Schule absolviert hatten, lang genug bei Truppe waren und meistens dann auch schon Spezialisten waren, wurden sie für voll genommen. Und da es eben so war, so meine bescheidene Meinung, übernahmen (mußten übernehmen) die jungen Leutnante viele Aufgaben, die z.B. in der Bundeswehr oder anderen deutschen Armeen, die Portepeeträger, mit Erfahrung und oft auch pädagogischer Klugheit (Ausnahmen bestätigen auch da die Regel) zu ihren Aufgaben zählten. Auch deshalb gab es im Verhältnis gesehen, zu viele Offiziere in den unteren Dienststellungen.
@all
Die Grenzsoldaten der DDR werden heute auf das Töten von Grenzverletzern / Republiksflüchtigen reduziert. Das ist typisch für Menschen, die sich leider einseitig informieren oder eben kaum über das wirklich gewesene nach denken, ist meine Meinung.
Mal davon abgesehen, dass die Grenzsoldaten an der sensibelsten Grenze in Europa ihren Dienst taten, nicht nur der Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik, sondern der Grenze zweier sich gegenüber stehender Militärblöcke, die sich weiß Gott gerne gegenseitig an die Kehle gegangen wären.
Aufgabe der Grenzer war es, die Unverletzlichkeit dieser Grenze zu garantieren. Und wer sich da der Grenze nähert und diese überschreiten will, stellte sich bei den Grenzern nicht erst vor. Nach DDR-Recht, war das illegale Überschreiten dieser Grenze eine Straftat, so wie es wohl bei allen Grenzen dieser Welt ist. Und weil die Grenze eben so sensibel war und unterschiedliche Welten trennte, wurde sie halt sehr scharf bewacht. Anders z.B. als die Grenze zu Polen oder zur CSSR.
Wer da nun durch den nächtlich Wald schleicht, oder einen Grenzfluss durchschwimmt, war dem Soldaten nicht klar außer, dass es eben ein Mensch ist. Aber was führt der im Schilde oder was hat er in seinem Kopfe, was gegen die DDR zu verwenden ist, wußte der Grenzer nicht. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder Grenzsoldat der DDR, der die Waffe gegen einen Menschen richtete, dies mit äußerst ungutem Gefühl tat und das dessen Hand zitterte wie Espenlaub. Insofern sollte jeder wehrpflichtige Bürger der DDR froh darüber sein, dass er zur NVA gezogen wurde und niemals in diese Situation kommen konnte auf Menschen zu schießen. Diese moralische Angst zu überwinden, auf einen Menschen zu schießen und dann dann damit weiter zu leben, erfordert meine Hochachtung auch wenn ich mir heute wünschen würde, dass diese Männer daneben geschossen hätten. Andererseits haben sie einen Befehl im Vergatterungsverhältnis erfüllt, so wie es der Grenzer an der Mexikanischen Grenze auch tut oder der Israeli oder der Koreaner.
Bitte nicht falsch verstehen. Es ist äußerst bedauerlich und schrecklich, dass an dieser Grenze Menschen ums Leben gekommen sind. Jeder Einzelne, ist einer zu viel. Andererseits wußte jeder dieser Bürger oder auch Mensch der nicht Bürger der DDR war, was ihm passieren kann, wenn er den versuch unternimmt.
Die Grenze wurde aber zu beiden Seiten hin gesichert und aufgeklärt, so dass es dem damaligen Gegenüber eben nicht gelingen konnte, auf das Territorium der DDR vorzudringen.
Ein Wort noch zu dem so genannten Schießbefehl.
Bisher hat die Presse und alle Untersuchungen einen Befehl wo "Schießbefehl" drüber stand, nicht finden können. Aber es ist ein so schön gruseliges Wort, der "Schießbefehl".
In der DDR gab es und das gibt es in allen souveränen Staaten dieser Welt, die bewaffnete Kräfte untehalten, eine "Schusswaffenanwendungsordnung".
Da ich in meiner letzte Dienststellung in der NVA sehr oft damit zu tun hatte, werde ich im Anschluss noch was dazu schreiben.
An der Grenze galt das gleiche System der Anwendung der Schusswaffe, wie sie bei der Bewachung einer Kasernenanlage galt. Durch die Vergatterung (das bedeutet, dass die Soldaten für die Zeit der Vergatterung, einem bestimmten Vorgesetzten unterstellt werden, besondere Pflichten aber auch Rechte besitzen) wurden die vergatterten Soldaten aus dem sonstigen Personalbestand herausgehoben und hatten eine Aufgabe (Gefechtsaufgabe) zu erfüllen. Wenn nun an der Grenze eine oder mehrere Personen, entsprechend der Schusswaffenanwendungsordnung nicht zu stellen waren, sie also den Aufforderungen der Soldaten in diesem besonderen, zeitweiligen Dienstverhältnis nicht nach kamen, war das letzte Mittel der Gewaltanwendung, der Einsatz der Schusswaffe.
Und nun ein paar Worte zur "Schusswaffenanwendungsordnung" der DDR (nicht der NVA oder Grnzer sondern der DDR), der auch die Grenzsoldaten unterlagen.
(aus dem Kopf)
- Die Anwendung der Schusswaffe, ist das letzte und höchste Mittel Mittel der Gewaltanwendung.
+ bedeutet, dass vorher angerufen worden sein muss und auch mindestens ein Warnschuss abzufeuern ist, bevor die Schusswaffe angewendet werden darf,
wenn alle anderen Mittel der Gewaltanwendung fehl geschlagen sind oder deren Anwendung nicht möglich ist
- Bei Anwendung der Schusswaffe ist möglichst auf Extrimitäten zu schießen
+ in wie weit das durchsetzbar war, entzieht sich völlig meiner Kenntnis
- Die Schusswaffe ist nicht anzuwenden, wenn die Person, gegen die die Schusswaffe angewendet werden soll, augenscheinlich das 14 Lebensjahr nicht überschriitten hat bzw. augenscheinlich in anderen Umständen ist.
- Die Schusswaffe ist nicht anzuwenden, wenn durch ihre Anwendung dritte Personen geschädigt werden können
+ bedeutet, wenn kein freies Schussfeld ist und unbeteilgte Personen verletzt oder gar getötet werden können.
Das ist ein Teil des "Schießbefehls".
Den aber findet man ganz sicher auch in heutigen Polizeihandbüchern oder anderer besonderer Literatur, Dienstanweisungen oder was weiß ich wo. Jetzt werden sich einige die Finger wund schreiben. Aber es gab keinen Befehl, auf Grenzverletzer zu schießen, wenn man dieser anders habhaft werden konnte. Aber da die DDR nun mal ein "diktatorischer", komunistischer Staat war, muss das "Schießbefehl" heißen. Das ist die Wahrheit wie ich sie kenne aber ich werde das hier, mit meinen paar Zeilen, in den Köpfen vieler Leser nicht ändern können.
Meine Erklärungen sollen nicht beschönigen, dass an den Grenzübergangsstellen oftmals durch die dort tätigen Grenzorgane (die oft genug von einer anderen Feldpostnummer kamen) Willkür, durchaus vor kam.
Gruß