Zitat von Andreas im Beitrag #164
Ich warte nun seit Anfang Juni auf meinen Steuerbescheid . Auf Nachfrage bekommt man zur Antwort , daß man nicht nachfragen soll , man sei eben sehr beschäftigt . Sicher auch Schuld von AfD und BSW . Mit dem Begriff BSW hat man es hier schwer , denn er bedeutet hier " Berufsbildungswerk der Sächsischen Wirtschaft " . Die wenigsten wissen , daß es auch solch eine Partei gibt .
@Andreas ,
ich kann die Nachfrage auf Deine Antwort sehr gut verstehen, auch wenn es für den Bürger meist absolut unverständlich ist. Ich möchte Dir auch erklären warum das so ist, denn mir geht es genau so wie dem/der Beschäftigten in Deinem Finanzamt. Ich arbeite zwar in einem anderen Bereich, das Prinzip ist jedoch das gleiche.
Ich bekomme eine Bürgerbeschwerde wegen einem abgestellten Fahrzeug ohne Kennzeichen. Dann versuche ich da zeitnah anzufahren und schaue mir das an. Ich mache ein paar Fotos und lege dazu einen Vorgang an. Dazu nehme ich alles auf, was hilfreich ist den letzten Halter zu ermitteln. Das kann ein Kennzeichen sein, welches auf der Umweltplakette steht. Das kann die FIN (Fahrzeugidentifikationsnummer) sein. Manchmal sind die Fahrzeuge auch offen und man findet im Handschuhfach das Serviceheft. Da ist meist auf der ersten Seite das Kennzeichen der Erstzulassung und die FIN eingetragen. Manchmal liegen TÜV-Berichte drin, manchmal private Rechnungen oder Briefe. Das Fahrzeug kriegt dann einen hübschen pinkfarbenen Aufkleber, wo der Eigentümer aufgefordert wird, eben dieses innerhalb von 7 Tagen aus dem öffentlichen Verkehrsraum zu entfernen. Nach 8 Tagen fahre ich das Fahrzeug erneut an. Ist die Karre weg, schließe ich die Akte. Steht das Teil noch da, gebe ich den Vorgang an die Kollegen vom Innendienst ab. Die ermitteln den letzten Halter. Dann bekommt der Post von uns, mit der Aufforderung das Fahrzeug innerhalb von 3 Tagen nach Zustellung wegzusetzen. Dann erfolgt wieder eine Kontrolle durch mich. Steht das Fahrzeug immer noch da, Akte zurück an den Innendienst. Der stellt dem letzten Halter jetzt eine OV (Ordnungsverfügung) zu. Diese ist dann meist schon mit einem Bußgeld behaftet. Gleichzeit wird die Ersatzvornahme der Entfernung durch das Ordnungsamt angekündigt. Nach Ablauf dieser Frist erfolgt wieder eine Kontrolle durch mich. steht das Fahrzeug immer noch, Akte zurück zum Innendienst. Die entscheiden jetzt wie es weiter geht. Das kann sein, das die sagen - abschleppen, weg mit der Karre. Oder die versuchen auf dem Rechtsweg, den letzten Halter zu bewegen das Fahrzeug doch noch wegzusetzen. Kann man mit höherem Bußgeld machen. Oder was auch immer. Jetzt könnte man meinen, das geht schnell. Tut es aber nicht. Das Problem ist die Rechtslage. Das Eigentum des Bürgers ist durch das Grundgesetz geschützt. Auch wenn da eine schrottreife Karre steht, irgendwem gehört die. Oft sind Menschen in andere Länder verzogen. Dann müssen wir die dortigen Behörden um Amtshilfe ersuchen. Die wird innerhalb der EU auch immer gewährt. Aber das dauert oft Monate, bis wir aus Staaten wie Polen, Bulgarien, Rumänien, Spanien und einigen anderen Antwort bekommen. Wenns dann ganz dumm läuft kommt dann ein Schreiben, ein Kaufvertrag ist beigefügt - die Karre wurde an "Pawel Pawlowitsch" in Sofia verkauft. Jetzt geht das alles von vorn los. Adresse des Halters ermitteln, der ganze Schreibkram, usw.
Jetzt fragt man sich, warum machen wir das alles? Grund sind die Kosten. Finden wir niemanden, dem wir das in Rechnung stellen können, trägt die Stadt alle Kosten. Und die sind leider recht hoch. Abschleppkosten sind zu verkraften. Das sind nur ca. 100 €. Aber das Fahrzeug ist rechtlich eine Fundsache. Fundsachen müssen 6 Monate aufbewahrt werden. So lange steht die Kiste beim Abschleppunternehmen auf dem Gelände. Jeder Tag kostet Standgebühren. Meldet in dieser Frist niemand einen Eigentumsanspruch an, werden die Fahrzeuge verwertet. Das muss wieder rechtssicher geschehen. Also schaut sich nach 6 Monaten ein Gutachter das Fahrzeug an, sagt dann das ist noch gut für die Auktion oder er sagt verschrotten. Dann lassen wir das Fahrzeug verschrotten und auch das kostet wieder Geld. Insgesamt belaufen sich die Kosten von der Sicherstellung bis zur Verschrottung auf 2.000 € - 2.500 €. Und wir haben 300 - 400 Fahrzeuge im Jahr die auf diese Weise verschrottet werden. Oft zu Lasten der Stadtkasse. Und das ist das Steuergeld des Bürgers! Deshalb veranstalten wir den ganzen Zinnober, um Kosten für die Stadt und damit für den Bürger zu ersparen.
Manchmal dauert das auch aus ganz banalen Gründen länger. Letzter Halter verstorben. Dann ermitteln wir die Erben, was auch nicht immer ganz einfach ist. Oder jemand sitzt in der JVA ein. Kommste erst mal nicht ran an den. Oder wir erfahren bei Befragungen in der Nachbarschaft, der Halter ist schwer krank und liegt seit einem halben Jahr im Krankenhaus. Dann ziehen wir dem nicht die Karre weg und ballern dem da noch zusätzliche Kosten dran. Dann bleibt der halt stehen, wenn keine Gefahr von dem Fahrzeug ausgeht. Oder, oder, oder! Gibt viele Gründe.
Nun kommt der Bf (Beschwerdeführer) wieder ins Spiel. Der Bürger erwartet fast immer, das andere Fahrzeuge abgeschleppt werden. Wir müssen uns aber an den rechtlichen Rahmen halten. Das verstehen die wenigsten. Also bombardiert man jeden, von dem man meint er hätte was zu sagen, mit Beschwerden zum gleichen Vorgang. Da wird sich beschwert bei unserer Leitstelle, beim Abteilungsleiter, beim Amtsleiter, beim Beschwerdemanagement, beim Leiter der Bußgeldstelle, beim Rat, bei der Bezirksvertretung, beim Oberbürgermeister, und was weiß ich noch alles wo. Und jeder meint er müsste sich jetzt kümmern und leitet das an den weiter, der dafür zuständig ist. Das bin dann ich und mein Kollege. Nun kommt eine mail von den "hohen Herren und Damen" und da muss ich jedes mal eine Stellungnahme dazu schreiben. Ich muss dann schildern, welche Maßnahmen wurden bereits ergriffen, wie ist der Bearbeitungsstand, warum wurde das Fahrzeug nicht entfernt, was ist weiterhin geplant, usw. Die informieren dann den Bürger (natürlich unter strengster Einhaltung der DSGVO) über den Sachstand. Dem Bürger gefällt das nicht und er beschwert sich beim Nächsten, von dem er meint der wäre wichtig. Ich kriege wieder eine mail und schreibe erneut etwas dazu. Da jeder Vorgang individuell ist, kann ich auch keine Textbausteine verwenden, sonder muss zu jedem Vorgang individuell etwas schreiben. Mittlerweile ist das so ausgeartet, dass ich 2 - 3 Bürotage im Monat mache, damit diese Nachfragen beantwortet werden können. Ebenso mein Kollege. Aufs Jahr gerechnet sind das rund 30 Arbeitstage, die da drauf gehen. Bei beiden also ganze 60 (!) Tage!
Das ist der Grund, warum wir Bürger bitten, von Nachfragen abzusehen. In der Zeit können wir unserer eigentlichen Tätigkeit nämlich nicht nachgehen.
Deshalb sollte jeder Bürger dafür etwas Verständnis aufbringen. Auch wenn es manchmal sehr schwer fällt.
Viele Grüße,
micha