Zitat von WELLO
Was Du hier schilderst, und die "Zeit" mit ihrem Artikel anspricht, ist ja ein real existierendes Lebensgefühl vieler "Ossis" - und genau in diese Befindlichkeit können sich die meisten "Wessis" zunächst gar nicht hineindenken. Und viele "Ossis" mögen meinen, dass die "Wessis" aber doch genau dieses automatisch tun müssten und vielleicht gar nicht wollen! Weil sie ganz selbstverständlich annehmen, dass die Wessis über diese Ossi - Befindlichkeit Bescheid wissen müssten. Wissen sie aber nicht!
Was aber wirklich damit gemeint ist, wird in dem Artikel genau beschrieben - es ist das Gefühl, dass plötzlich alles anders ist und man/frau sich verloren fühlt - einsam wie auf einer Eisscholle treibend... Hervorgerufen durch die neue Ordnung, die scheinbar übergestülpt wurde.
40 Jahre sind im Leben eines Menschen eine ziemlich lange Zeit. In Ost und West haben sich in dieser Zeit durchaus unterschiedliche Denkweisen und Befindlichkeiten gebildet, sie wurden zunächst von der jeweils anderen Seite überhaupt nicht wahrgenommen. Es braucht so seine Zeit, bis sich "Ossis" und "Wessis" wieder aneinander gewöhnt haben.
Andererseits begann die deutsche Geschichte nicht erst 1945. Deutschland ist über 1000 Jahre alt, es hat im Laufe der Zeit wer weiß wie viele Veränderungen gegeben. Das wird in Zukunft nicht anders sein.
Daher setzt dieses Forum durchaus am richtigen Punkt an - nämlich Informationen auszutauschen in beide Richtungen. Die Frage bleibt: was wäre noch zu tun?
Gruß Wello
Schön das wir da einer Meinung sind.
Der Austausch muss aber, wie du schon sagst in beide Richtungen statt finden! Leider muss ich aber, und das tut mir echt leid, die "Ossis" bemängeln. Zumindest die, welche nie in den alten Bundesländern Erfahrungen gesammelt haben.
Ich hab das Gefühl, auch wenn falsche Vorstellungen und Meinungen vorherrschen, dass sich Bürger aus den alten Bundesländern eher die Mühe machen sich in den "Ossi" hineinzuversetzten. Sie lassen mit sich reden und ein Austausch findet statt, bei dem gegenseitige Vorurteile abgebaut werden. (Besonders freundlich muss ich hier mal die Schwaben hervorheben!!!) Das ist zumindest meine Erfahrung als "Ossi" der in den "Westen" gekommen ist. Auch hab ich noch nicht eine Frage gehört wie Bsp: "wie war das in der DDR?" oder überhaupt die Vergangenheit betreffend. Nein eher: "Na wie läuft es so bei euch?, Mensch ich war letztens in Dresden, also die Frauenkirche...", oder meine Friseurin die vor 8 Jahren mal in Leipzig war und sich sehr interessiert erkundigt was sich seit dem getan hat...
Nun zur eigentlichen Kritik:
Im Osten habe ich es leider viel zu oft mitbekommen, dass ein "Wessi" der den Schritt in den Osten wagt pauschal abgeurteilt wird ohne je den Dialog zu suchen. Und immer wird nur über die Vergangenheit gesprochen: "Der Wessi hat nach der Wende das gemacht, in der DDR war dieses und jenes besser..."
Nun zu deiner Frage: "Was wäre noch zu tun?"
Solche Threads wie: "war die DDR bankrot?", in denen heftig über vergangenes diskutiert und mit Schuldzuweisungen nicht gespart wird, bringen doch überhaupt nichts. Oder auch: "kann man als Ossi im Westen erfolg haben?", kann man denn subjektive Eindrücke objektiv beurteilen?
Ich glaub der Text der Nationalhymne der DDR hatte sehr viel visionäres bzw. sprach eigentlich immer von Gesamt-Deutschland, nicht von der DDR und auch nicht vom Sozialismus:
1. Auferstanden aus Ruinen
Und der Zukunft zugewandt,
Laß uns dir zum Guten dienen,
Deutschland, einig Vaterland.Alte Not gilt es zu zwingen,
Und wir zwingen sie vereint,Denn es muß uns doch gelingen,
Daß die Sonne schön wie nie
|: Über Deutschland scheint. :|
2. Glück und Friede sei beschieden
Deutschland, unserm Vaterland.
Alle Welt sehnt sich nach Frieden,
Reicht den Völkern eure Hand.
Wenn wir brüderlich uns einen,
Schlagen wir des Volkes Feind!Laßt das Licht des Friedens scheinen,
Daß nie eine Mutter mehr
|: Ihren Sohn beweint. :|
3. Laßt uns pflügen, laßt uns bauen,
Lernt und schafft wie nie zuvor,
Und der eignen Kraft vertrauend,
Steigt ein frei Geschlecht empor.
Deutsche Jugend, bestes Streben
Unsres Volks in dir vereint,
Wirst du Deutschlands neues Leben,Und die Sonne schön wie nie
|: Über Deutschland scheint. :|
(Johannes R. Becher)
Ich glaub in diesen Zeilen kommt ganz gut meine Auffassung zur Geltung. Nicht in der Vergangenheit zu weilen, sondern in die Zukunft zu schauen. Nicht den anderen beurteilen, sondern von ihm lernen.
LG
Mirko